Der Steckborner Stadtrat (v.l.): Marc Hoksbergen, Markus Michel, Aleksandra Lindner, Stephan Marty, Roman Donatsch und Ljufti Lokmani. Bild: Nico Wrzeszcz
04.06.2024 15:58
«Wir sind uns keiner Schuld bewusst»
Der Steckborner Stadtrat äussert sich zu den Vorwürfen von Stadtpräsident Roland Toleti
Vergangene Woche äusserte sich der Steckborner Stadtpräsident Roland Toleti erstmals seit seiner Krankmeldung in der Öffentlichkeit. In einer Stellungnahme hat er den Stadtrat stark kritisiert. Dieser nahm am Montag an einer Medienkonferenz Stellung.
Steckborn Nur sehr selten komme es vor, dass der Stadtrat «in globo» zu den Medien spreche. «Die jüngsten Ereignisse verlangen nun aber, dass wir dies tun. Und zwar gemeinsam, hier und heute», eröffnete Vizestadtpräsident Roman Donatsch seine Stellungnahme zu den Äusserungen des krankgeschriebenen Stadtpräsidenten Roland Toleti. «Es ist uns wichtig, dass Sie uns alle sehen, hören und erleben. Denn wir sind uns keiner Schuld bewusst. Wir haben immer und jederzeit im Sinne von und für Steckborn gehandelt.» Die Aufgabe des Stadtrates sei es, intern für die beste Lösung zu kämpfen, nach dem Demokratieprinzip zu entscheiden sowie die befassten Beschlüsse gemeinsam gegen aussen zu vertreten. Alle Stadträte hätten im Rat schon Opposition und Niederlagen erfahren, im einen oder anderen Fall lieber einen anderen Beschluss gefasst. «Dennoch haben wir jeweils alle Beschlüsse des Stadtrates geschlossen mitgetragen und nach aussen vertreten», so Donatsch.
Der Stadt verpflichtet
In einem Leitfaden zur Kommunikation aus dem Jahr 2022 habe der Stadtrat entschieden, die Öffentlichkeit offen, sach- und zeitgerecht über wichtige Geschäfte im Stadtrat oder der Verwaltung zu informieren, soweit dadurch das Amtsgeheimnis, nicht verletzt wird; bei persönlichen Meinungsäusserungen das Kollegialitätsprinzip nicht zu verletzen. «Nach aussen heisst dies, die Form zu wahren, als Kollegialbehörde hinzustehen und sich gemeinsam - eben kollegial - für die gefassten Beschlüsse einzusetzen.» So wie der Stadtrat für eine Legislaturperiode von vier Jahren gewählt sei, sei es der Stadtpräsident auch. «Es ist deshalb seine Aufgabe, sein Amt auszuüben, soweit er dazu in der Lage ist», betonte Donatsch. Das werde seit der Publikation seiner Sicht der Dinge nicht einfacher. Wenn Roland Toleti aber wieder mitwirke, werde der Stadtrat nach den gleichen Vorgaben wie bisher arbeiten.
«Wir sind als Stadtrat, und das ist uns wichtig, nicht einem einzigen Mitglied des Stadtrates verpflichtet, sondern der Stadt und ihren Einwohnerinnen und Einwohnern. Wenn der Stadtrat einen Entscheid trifft, so ist dieser selbstredend von allen Mitgliedern des Stadtrates mitzutragen.» Die Stadträte bedauern, dass der Stadtpräsident aus medizinischen Gründen sein Amt nicht ausführen kann. Darüber hinaus habe der Stadtrat die Organisation der Gemeinde im Sinne einer vorübergehenden Regelung sowie zwecks Erfüllung aller Aufgaben und Pflichten entsprechend angepasst. Die Stadträte führten die Geschäfte der Stadt Steckborn derzeit unter der Leitung des Vize-Stadtpräsidenten zu sechst, sie seien sich keiner Schuld bezüglich der derzeitigen Situation bewusst und hofften auf eine baldige Klärung.
«Wir verurteilen die Publikationen aus der Feder des Stadtpräsidenten in der vergangenen Woche und betrachten - unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Aussagen - die erfolgten Publikationen des Stadtpräsidenten als höchst problematisch mit Blick auf das Kollegialitätsprinzip und das Amtsgeheimnis», so der Stadtrat. Ebenso werde die namentliche Nennung einzelner Stadträte in den Medien verurteilt, dezidiert illegal gehandelt zu haben, verneine der Stadtrat. «Wir werden die Geschäfte weiterhin rechtskonform und im besten Interesse der Stadt Steckborn führen. Das beinhaltet auch den situativen Einbezug der Parteien oder Dritter sowie die Einsetzung externer Arbeitsgruppen, sofern wir dies für nötig, sinnvoll und angemessen erachten.» Eine nötige Aussprache unter Stadträten müsse immer möglich sein. Zumal, wenn danach korrekt darüber informiert werde. «Wir hoffen, dass sich der Stadtrat wieder auf die eigentlichen Geschäfte fokussieren, wichtige Projekte voranbringen und die Entwicklung von Steckborn zukunftsorientiert gestalten kann», betonte Donatsch.
Beschlüsse gemeinsam fassen
In kurzen Statements äusserten sich die Stadträte persönlich zu den Vorkommnissen. Stadtrat Marc Hoksbergen bedauert die Entwicklung der letzten Tag sehr, jetzt, wo doch der Tisch an Themen wirklich voll sei und die Kollegialbehörde erst recht zusammenwirken müsste. «Es gibt einen persönlichen Vorwurf, den ich klar zurückweise. Was ich in den letzten zwölf Monaten im Stadtrat geleistet und zusammen mit meiner Kollegin und meinen Kollegen erreicht habe, war Teamwork.» Nicht alles sei super gewesen, aber eine gemeinsame Leistung für Steckborn. Für Stadträtin Aleksandra Lindner sei die Kollegialität sehr wichtig. «Als Kollegialbehörde fassen wir die Beschlüsse gemeinsam und tragen dafür gemeinschaftlich die Verantwortung, auch wenn einzelne von uns dagegen sind.
Persönlich verletzt
Die persönliche Haltung solle nicht nach aussen kommuniziert werden. Alle seien verpflichtet, sich daran zu halten. Ljufti Lokmani, wie Marc Hoksbergen namentlich von Roland Toleti mit Vorwürfen bedacht, ging nicht auf Details ein. «Aufgrund des Amtsgeheimnisses und des Kollegialprinzips kann ich nicht auf bestimmte Details eingehen, um seine Anschuldigungen klar zu widerlegen. Ich hoffe jedoch, dass die Klarstellungen des Stadtrates dazu beitragen, die Situation besser zu verstehen.» Er werde im Interesse der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger handeln und sich nicht zu Provokationen hinreissen lassen. Auch Stephan Marty haben die Anschuldigungen persönlich getroffen und verletzt. «Als jemand der stets offen und kritikfähig ist, nehme ich mir diese Vorwürfe zu Herzen.»
«Es braucht Energie und Zeit»
Für Stadtrat Markus Michel ist das Thema nicht neu. «Ich erlebe die derzeitige Situation nun bereits zum zweiten Mal. Sie absorbiert viel Energie, Kraft, Zeit und Ressourcen. Unsere politische Arbeit sollte sich baldmöglichst wieder auf die Erfüllung unserer Aufgaben sowie auf die Beschlussfassung von Sachgeschäften zugunsten von Steckborn und seiner Einwohnerinnen und Einwohner konzentrieren können.»
In seiner Stellungnahme von letzter Woche sagte Stadtpräsident Roland Toleti, er sei zum Rücktritt aufgefordert worden. «Wir haben im Stadtrat Gespräche geführt, eine Aufforderung zu seinem Rücktritt gab es jedoch nicht. Auch ein Rücktritt einzelner Stadträte stand nie im Raum», erklärte Roman Donatsch. «Wir würden es begrüssen, wenn Roland Toleti darlegt, wie es in Zukunft weitergehen soll. Denn so können wir nicht dauerhaft weiterfahren», sagte Markus Michel weiter. Bis heute habe es kein Gespräch zwischen dem gesamten Stadtrat und Stadtpräsident Roland Toleti gegeben.
Von Nico Wrzeszcz